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Das literarische Adrett

Zadie Smith ist Bestsellerautorin - und eine ausgesuchte Schönheit. Aber mit Komplimenten kommt man bei dieser Frau nicht weiter. Dazu ist sie einfach zu schlau.

Interview:  Georg Diez

SZ-Magazin: Sie sind jung, Sie sind schön, Sie sind ein "literary wunderkind".

Zadie Smith: Hören Sie, ich habe gerade mal ein Buch geschrieben, was soll das also mit dem Wunderkind? Nur Leute von der Presse nennen mich so, und wenn auch Sie das tun wollen, dann ist das Ihr Problem.

Seien Sie doch nicht gleich beleidigt.

Immer, wenn jemand jünger ist als 26 und einen Roman herausbringt, hat die Presse ein neues Wunderkind. Und Schönheit? Wenn es um Literatur geht, ist diese Kategorie nicht besonders aussagekräftig. Überhaupt: Wer ist da meine Konkurrenz? Norman Mailer vielleicht? Literatur ist kein Schönheitswettbewerb, und jeder, der nicht auf vier Beinen geht, liegt dabei ganz gut im Rennen.

Haben Sie, als Sie klein waren, vor dem Spiegel gestanden und wollten lieber schön sein als intelligent - oder umgekehrt?

Intelligenz ist Schönheit.

Okay, noch ein Versuch: Wovon sind Menschen eher beeindruckt - vom Inhalt oder von der Form?

Dumme Menschen lassen sich von Schönheit beeindrucken - aber Schönheit kommt und geht. Ich dagegen bin oft eingeschüchtert von intelligenten Menschen. Ich verstehe, wenn jemand bei Stephen Hawking weiche Knie bekommt. Aber wegen einer 25-Jährigen, die gerade mal ein Buch geschrieben hat?

Haben Sie Intelligenz schon mal als Waffe eingesetzt?

Intelligenz hat mir geholfen, mein Buch zu schreiben. Intelligenz ist alles, was ich habe.

Und Schönheit?

Es gibt nichts, was eine schöne Frau hier nicht bekommt. So funktioniert die westliche Welt nun mal.

Mit 14 Jahren haben Sie Ihren Vornamen von Sadie in Zadie geändert - fanden Sie den schöner? Oder hatten Sie es nur satt, ewig "Sexy Sadie" genannt zu werden?

Außer Ihnen hat noch nie jemand "Sexy Sadie" zu mir gesagt. Ich war damals in einen Jungen verliebt, dessen Name mit Z anfing - und ich dachte, es wäre lustig, wenn meiner auch mit Z anfangen würde. Was soll ich sagen: Es wurde Jahr für Jahr weniger lustig und jetzt sitze ich eben hier mit diesem Namen. Es ging übrigens gar nicht darum, dass ich dachte, das klingt jetzt sexy oder exotisch - dafür wäre Zadie auch nicht wirklich geeignet: Zadie - das sagen jüdische Kinder zu ihrem Großvater.

War es der Junge wenigstens wert?

Natürlich nicht. Eines gefällt mir aber an der Sache: dass auf meinen Büchern ein Name steht, der eigentlich gar nicht meiner ist. So kommt ein wenig Distanz zwischen mein Leben und den Roman.

In Zähne zeigen geht es um eine Familie von moslemischen Einwanderern, um eine jüdische Mittelstandssippe und um die Ehe von Archie und Clara, einem weißen Ver- sager und einer schwarzen Schönheit, der die Vorderzähne fehlen. Ihre Mutter, Mrs. Smith, kommt aus Jamaika, Ihr eigener Vater aus Willesden, einem Vorort von London. Ist sonst noch was an diesen Geschichten autobiografisch?

Die Orte sind mir sehr nah, einige der Ideen in dem Roman sind mir sehr nah, der Rest sind Gedanken und Geschichten, die ich eine Weile mit mir herumgetragen habe und die mir Spaß machten - also habe ich sie aufgeschrieben. Ich habe das Buch überhaupt nur angefangen, weil mir meine Halbschwester erzählte, wie mein Vater und meine Mutter sich auf einer Party kennen gelernt haben - und bei dem Gedanken, dass mein Vater jemals auf einer Party gewesen sein könnte, musste ich so lachen, dass ich anfing, um diese Szene herum eine Geschichte zu bauen.

Lachen ist ein schönes Motiv für ein Buch.

Es ist das einzige. Ich mag lustige Bücher, also schreibe ich auch lustige Bücher.

Ist Zähne zeigen lustig?

Das Buch funktioniert wie eine britische Sitcom, eine dieser Vorabendsendungen, bei denen immer dieselben wunderlichen Charaktere auftreten. Es geht dabei weniger um sprach- liche Pointen, als darum, dass jemand zum Beispiel im falschen Moment in ein Zim- mer kommt. Britischer Humor eben, wie ihn jeder hier schreiben könnte - wir sind schließlich damit aufgewachsen.

Mit Monty Python's Flying Circus etwa?

Genau. Aber ich liebe alle Arten von Komikern, vor allem Stand-up-Comedians, die jeden Abend allein auf einer Bühne stehen und ihre Show abliefern müssen. Leider kann ich mir die Sachen nur auf Video anschauen. Ich halte es nicht aus, Menschen live dabei zuzusehen, wie sie fremde Leute zum Lachen bringen wollen. Das ist mir so peinlich, dass ich im Boden versinken könnte.

Zähne zeigen ist also eine literarische Comedy-Show?

Die Welt, die ich da beschreibe, gibt es eigent- lich gar nicht. Niemand in London kennt zum Beispiel seine Nachbarn. Das Buch ist eher das Wunschbild einer idealen kleinen Welt - vielleicht lieben es die Leute gerade deswegen. Es ist eine andere Art von Wahrheit, das lite- rarische Gegenstück zu einer Fernsehserie, die hier sehr populär ist: The East Enders . Eine typisch britische Serie, jeder darin sieht bescheu- ert aus, ist bescheuert, fühlt sich bescheuert. Der Grund dafür, dass die Serie so beliebt ist: Diese Leute leben alle an einem kleinen Platz, sie kennen sich alle, sie bilden eine anachro- nistische Gemeinschaft - und das spricht die Zuschauer an. Auch wenn das mit der Wahrheit wenig zu tun hat.

Wie wichtig ist es, dass man erlebt hat, worüber man schreibt?

Das ist der schlimmste Ratschlag von allen: Schreibe nur über das, was du auch kennst. Ich empfehle, genau das Gegenteil zu tun.

Zum Studieren sind Sie dann erst einmal aus Ihrem Arbeiter- und Mittelklasse-Vorort ins feine Cambridge gezogen.

Es war dort nicht viel anders als daheim: Fast alle an meinem College waren Juden aus Nord-London.

Wollten Sie da schon Schriftstellerin werden?

Jeder, der in Cambridge Literatur studiert, will Schriftsteller werden. Der wichtigste Grund für mich war, dass dort viele der besten Autoren studiert haben, E.M. Foster ( Zimmer mit Aussicht ) zum Beispiel, den ich sehr bewundere.

Es haben nur nicht alle so viel Erfolg: Für die ersten hundert Seiten Ihres Romans sollen Sie einen Vorschuss von 750000 Mark kassiert haben - mit 22 Jahren. Das gelingt nicht vielen mit Geschichten aus dem Einwanderermilieu. Besonders, wenn sie so lang sind.

Die epische Länge verdanken wir dem Enthusiasmus einer jungen Schriftstellerin, die ihr erstes Buch schreibt. Ich finde heute, dass es ruhig etwas kürzer hätte ausfallen können. Und obwohl ich immer wieder mit Salman Rushdie verglichen werde, muss ich leider gestehen, dass ich Rushdie erst gelesen habe, nachdem mein Buch fertig war.

So?

Ich habe Menschen mit brauner Haut in meinem Buch, Rushdie hat Menschen mit brauner Haut in seinen Büchern, Kureishi hat Menschen mit brauner Haut und schon wird daraus ein Genre. Das ganze Gerede von der Immigrantenliteratur ist rassistischer Quark. Ich weiß nicht, ob es überhaupt so ein Genre gibt. Wenn ja, dann gehöre ich jedenfalls nicht dazu.

Woher haben Sie so viel Gespür für eine Vergangenheit, die ganz woanders spielt als unser flaches, langweiliges Alltagsleben?

Man darf nicht denken, dass die Immigrantenwelt so viel lustiger und bunter ist als die Welt, wie sie vielleicht bestimmte Autoren der so genannten Popliteratur beschreiben. Wir sind doch alle von derselben postkapitalistischen Malaise befallen.

Sie verachten die Popliteratur, die Popmusik auch?

Ich liebe Eminem. Ich liebe HipHop. Und natürlich liebe ich Madonna. Wie Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Ich bin ein ganz normales Mädchen, das in England groß- geworden ist. Das ändert aber nichts daran, dass ich Trainspotting für den schlechtesten, langweiligsten Film der letzten 20 Jahre halte.

Ach.

Der Film basiert auf dem Roman von Irvine Welsh. Und der zeigt, was passieren kann, wenn es sich ein Schriftsteller zu einfach macht.

Und zwar?

Wenn manche Geschichten und die Welt mancher Autoren flach erscheinen, dann liegt das nicht daran, dass die Welt um sie herum flach ist. Sondern daran, dass sie zu faul sind, genau hinzuschauen und das, was sie sehen, gut und richtig aufzuschreiben. Diese Schriftsteller sind trotzdem zu hundert Prozent überzeugt davon, dass das, was sie erlebt haben, und das, was sie zu sagen haben, wichtig ist und relevant. Sie täuschen sich. Aber das ist ihr Problem.

Das klingt kalt.

Jeder ist manchmal kalt, bissig, grausam. Aber beim Schreiben muss man großzügig und offen sein, sonst hat man schon verloren. Ich hasse grausame, kaltherzige Autoren. Menschen sind grausam, wenn sie lügen. Um diese Frage geht es beim Schreiben: ob jemand ehrlich ist oder verlogen.

Sie haben einmal gesagt, man beginne immer aus einem Ärger, aus einer Wut heraus zu schreiben. Wut worüber?

Ich meine damit die vielen ersten Platten oder ersten Bücher, Teenagergeschichten von hässlichen Außenseitern und wie sie nicht genug Aufmerksamkeit von ihrer Umwelt erhalten. Für das erste Buch ist das in Ord- nung. Aber wer da nicht herauswächst, der ist bald tot.

Sie spüren keine Wut mehr?

Fast keine. Ein Freund von mir sagte neulich, er habe völlig seinen Blutdurst verloren. So geht es mir auch. Ich finde es einfach langweilig, mich heute noch darüber aufzuregen, wie ich mich vielleicht als Teenager gefühlt habe.

In Ihrem Buch beschreiben Sie die Angst und die Qualen eines schwarzen Mädchens, das seine krausen Haare glatt zu kriegen versucht.

Probleme halt, wie sie ein Teenager in der schö-nen, neuen, multikulturellen Welt erdulden muss. Den Fluch der Schönheit, zum Beispiel.

Sie haben sich recht distanziert über Ihr Buch geäußert, es sei wie der Auftritt eines Kinderstars, einer "hyperaktiven, Stepp tanzenden 10-Jährigen".

Die Leute denken immer, dass man aufhört, ein kritischer oder selbstkritischer Mensch zu sein, nur weil man einen Roman geschrieben hat. Ich verliere doch nicht von einem Tag auf den anderen die Fähigkeit zu unterscheiden, was gut geschrieben ist und was nicht.

Na hoffentlich.

Ich habe mir schon als Kind geschworen, dass ich keine Verkäuferin werden will. Ich werde also nicht durch die Straßen rennen, mich anpreisen oder sonst etwas tun, damit das Buch besser läuft. Die Leser sind ja auch nicht blöd.

Zadie Smith, 25, stand in England und in den USA mit ihrem Roman White Teeth monatelang in den Bestsellerlisten. Die deutsche Übersetzung Zähne zeigen erscheint in diesen Tagen bei Droemer. Gerade erhielt die Tochter eines Engländers und einer Einwanderin aus Jamaika den renommierten Whitbread-Preis für den besten Erstlingsroman. Zadie Smith lebt in Willesden, London.

<SZ.ZT

"Eines gefällt mir aber an der Sache: dass auf meinen Büchern ein Name steht, der gar nicht meiner ist."

 

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