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Ruth Rendell

Der Schlaf, aus dem es kein Erwachen gibt

"Der Sonderling" Ein Roman von Ruth Rendell.

"Seltsam vermischt in ihm war vieles, was Man sucht und flieht, was Liebe weckt und Haß... Er stand ein Fremdling in der Menschenwelt, Ein sünd’ger Geist, gestürzt vom Sternenzelt.(Lord Byron "Lara")

"Sie sah zu ihm hoch, und er sah zu ihr herunter. Er hielt ihre Linke in seiner Rechten, ihre Augen trafen sich zu einem langen Blick, und so malte Simon Alpheton sie und hielt sie im Vorgarten von Orcadia Cottage fest, wenn nicht für die Ewigkeit, so doch für lange, lange Zeit".

Was anfängt wie ein Roman aus dem 18 JH, mit einer idyllischen Szene, in der ein Maler das Porträt eines Liebespaars malt, vor der Kulisse eines mit wilden Wein umrankten Cottages, ist der neue Roman der englischen Kriminalautorin Ruth Rendell. In diesem Roman erzählt sie uns die Geschichte von Teddy Brex und Francine Hill, deren Leben unweigerlich aufeinander zutreiben.

Teddy wird seit seiner Geburt von den Eltern ignoriert. Niemand in der Familie schenkt ihm je besondere Beachtung. Bei einem Nachbarn findet er seine Berufung. Die Schönheit der Dinge. Dort lernt er das Tischlern. Da er keine Liebe und Zuneigung erhält, hält sich sein Verlangen nach Liebe und Zärtlichkeit in Grenzen, obwohl er ein hübscher Junge ist. "Die Menschen waren doch, wie er schon lange geargwöhnt hatte, allesamt schädlich und verdorben und den Dingen meilenweit unterlegen. Gegenstände enttäuschen einen nie". "Er war der einzige Mensch, an dem ihm ebenso viel lag, wie an Dingen".

Francine war in jungen Jahren Zeuge, wie ihre Mutter ermordet wurde. Daraufhin verlor sie für einige Monate ihre Sprache. Ihr Vater, voller Schuldgefühle, heiratet die Kinderpsychologin Julia, die ihr Leben daraufhin Francine widmet. Ihrem Schutz und ihrer Fürsorge. Sie unterstellt Francine ihrerKontrolle und Francine hat ihr eigenständiges Leben verloren. Francine wird für Julia zur Obsession. "Durch ihre Opferhaltung und Selbstverleugnung hatte sie ihre Stieftochter gekauft , hatte einen Preis für sie bezahlt, und nun gehörte sie ihr".

Bis zu dem Tag, an dem Teddy und Francine sich begegnen und Teddy, ob der Schönheit von Francine, ihr verfällt. Nicht die Person Francine interessiert ihn, sondern ihre Schönheit. Francine ist ein "Ding", das man nach seinen Wünschen verkleiden und ausstaffieren kann. Er ist auch nicht zur Liebe fähig. Er versagt bei ihr. Francine rebelliert gegen ihre Stiefmutter und ihren Vater und nimmt Teddy zum Anlaß, sich Freiheiten zu erschaffen. Julia, die Stiefmutter, verfällt immer mehr in ihre Obsession, je mehr Francine sich befreit.

Dies alles führt dann zur Tragödie. Bis es aber soweit ist, hat Teddy schon zwei Morde begangen. Morde, ohne die Opfer berühren zu müssen, wie mit einer Fernbedienung. Aber man weiß genau, warum er es tat, und zwar so vollkommen, daß man das Gefühl hat, man hätte genau das gleiche getan. Das ist die Stärke der Ruth Rendell. Ihre psychologischen Romane erschaffen die Personen und ihre Handlungen so genau und nachvollziehbar, so daß einem das Ende als Unausweichlich und Logisch erscheint. Der Schluß des Romans ist einer dreifachen Edgar-Allen-Poe Preisträgerin würdig. Selbst Poe hätte keinen schaurigeren und entsetzlicheren Schluß finden können. Er erinnert an "Die Schwarze Katze", eine Kurzgeschichte von Poe.

Wobei auffällt, daß der Roman stark an die englischen Romantiker erinnert. An die Schauerromane "die Gothic novel" von Radcliffe, Walpole oder Lewis. Nicht nur, daß zwei alte englische Cottages, mit ihrem romantischen Ambiente den Hintergrund für zwei Morde abgeben, sondern auch die schauer-romantische Atmosphäre, die den Roman durchzieht. Teddy kann als romantischer Held gelten. Frank T. Zumbach schreibt ihn seiner Biographie (über Poe) über diese "Helden": "der romantische Held empfindet sich als gefallener, aus dem Paradies vertriebener Engel, durch eine unwägbare Schuld dazu verdammt, unter ärmlichsten Verhältnissen inmitten von Materialisten, Fortschrittsgläubigen, Technokraten, Dummköpfen und Krämerseelen zu leben; er sehnt sich zurück in einen Zustand, aus dem er sich verstoßen glaubt, denn er spürt den Anachronismus seines Durstes und seiner Empfänglichkeit für Schönheit in einer Gesellschaft, die am Profit orientiert, dem alltäglichen verhaftet ist und Kultur lediglich konsumiert."

 

Der Schrecken des Romans, eine "Gothic novel" des 20. JH., kommt nicht von außen, er enthüllt sich durch das unausweichliche schreckliche Ende, durch die "Verinnerlichung des Schreckens". Hier wird der Mensch, zum Opfer seiner eigenen Versuchungen. Und Ruth Rendell hat wieder ein psychologisches Meisterstück abgeliefert.

 

"Der Sonderling" von Ruth Rendell, Blanvalet 1999

Aus dem Englischen von Cornelia C. Walter  DM 42.90

 

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