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Klaus Wanninger

Irgendwann kommt die Stunde, wo die Bösen bestraft werden

"Schwabenmesse" Ein Roman von Klaus Wanninger

Wirklichkeit? Traum? Am Anfang ein Feuer, ein Mord. Ein grausamer, archaischer Mord. "...ließen erst  von ihm ab, als der Rest der brennenden Hütte sich vollends aus seiner Verankerung löste und zur Seite fiel, ein Teil davon auf den Oberkörper der Leiche oder besser: auf den Rest dessen, was davon noch übrig geblieben war."

Tatsache ist, daß auf einem Acker der Filderbäuerin Gabriele Krauter eine halbverbrannte und unkenntlich gemachte männliche Leiche gefunden wird. Tatsache auch, daß diese Filderbäuerin eine sehr aktive und streitbare Flughafen und Messegegnerin ist. Und ist es Zufall, daß am gleichen Abend der Manager des Flughafens spurlos verschwindet? Ist er der unbekannte Tote?

Für Kriminalrat Gübler ist der Fall klar. Die fanatische Gegnerin des Großprojekts Fildermesse, die Landwirtin Gabriele Krauter, auf deren Bauernhof angeblich schwarze Messen und lesbische Treffen abgehalten werden, hat den Manager ermordet. Kriminalkommissar Braig und seine Kollegen/innen nehmen die Ermittlungen auf. Auf Druck von Gübler, ein "inkompetenter Paragraphenreiter, der alles, was von oben kam, wie die Offenbarung der heiligen Schrift verehrt, mit der Unterwürfigkeit nach oben und einer Ehrenpingeligkeit nach unten", werden die Ermittlungen auf die Bäuerin Krauter konzentriert. Aber dann wird eine zweite männliche Leiche gefunden. Nackt und entmannt schwimmt sie in der Murr. Und die Ermittlungen erfahren eine entscheidende Wendung.

Klaus Wanninger, evangelischer Theologe lebt in der Nähe von Stuttgart. Und die Handlungen seiner drei bisher erschienen Kriminalromane (alle im KBV-Verlag), spielen sich alle rund um Stuttgart ab. So auch der Roman "Schwabenmesse". Drehte sich sein erster Roman "Schwaben-Rache" noch um die Verstrickungen der Politik mit Baunternehmungen und einer harschen Kritik an der Verkehrspolitik ("... der eine betoniert unsere Landschaft zu, um möglichst hohe Gewinne in seine private Tasche zu schieben, der andere sorgt im Gemeinderat für die politischen Beschlüsse, die die Betonorgien finanzieren"), so nimmt sich hier Wanninger der Verbauung des Filderraums mit dem Flughafen und der Messe an.

 "Die ganze Großkotzige in Stuttgart von dem Teufel mitsamt seine Minister bis zu dene Flughafen- und Messe-Verbrecher. Die dätet am liebste doch das ganze Land zubetoniere. Autofahre und fliege, das isch alles, was die noch im Kopf hent. Von Gehirn keine Spur."

Der Krimi erinnert in seinem Aufbau stark an den Kriminalroman des schwedischen Schriftstellers Henning Mankell "Die falsche Fährte". Nicht nur, daß auch hier die Ermittler, lange Zeit einer falschen Spur nachgehen (soviel kann verraten werden), auch der erzählerische Rahmen orientiert sich an Mankell. Über Mankell schrieb der Spiegel: "Raffiniert und behutsam, dabei ungemein spannend, entwickelt der schwedische Autor eine unverwechselbare, beklemmende Atmosphäre, die weit über das hinausgeht  ,was ein durchschnittlicher Krimi zu bieten hat. Mankell beschreibt nicht nur die allmählicheAnnäherung an eine kranke Täterseele - er legt gleich noch die ganze kaputte Gesellschaft mit auf die Couch."

Auch Wanninger gelingt es, vor allem im letzten Teil seines Krimis eine "beklemmende Atmosphäre" zu schaffen. Sein Land, seine Stadt ist nicht Schweden und Ystad, sondern Schwaben und Stuttgart und sein Umkreis. Das Schwaben, in dem "..alles sauber gekehrt war, der Rasen vor einigen Tagen gemäht, die Grünfläche ordentlich gepflegt. Die Autos auf den Parkplätzen glänzten im Licht der Sonne fast alle frisch poliert, wie es sich gehörte." In dem sich auch der Kriminalkommissar Braig am Ende der Ermittlungen fragen muß, in welchem Land er eigentlich lebt. In einem Land, in dem Menschen leben, "die krampfhaft darauf achten, daß ihr Eigentum nicht angetastet wird. Gelangweilte Reiche, die aus purem Spaß andere ermorden und vergewaltigen.Eltern, die ein Kind aus reiner Profitgier verhungern lassen. Und über allem eine Landes-regierung, die das Wachstum materieller Besitztümer in jeder Form als allein-selig-machende Droge vergöttert und zugunsten privater Bereicherung und Vorteile unzählige andere um ihre Heimat und ihre Arbeit zu bringen bereit ist."

Und so kann sich Braig aus Stuttgart wie Kurt Wallander aus Ystad fragen"...wie sich die Gesellschaft um ihn herum veränderte, und er war ein Teil dieser Veränderung geworden. Aber erst jetzt erkannte er, daß nur ein Teil dieser dramatischen Veränderung sichtbar gewesen war. Etwas war auch darunter vor sich gegangen, im verborgenen. Der Aufbau hatte einen Schatten in Form der unsichtbaren Zerstörung, die gleichzeitig stattgefunden hatte. (..) Dann hatte die Gesellschaft sich einmal um sich selbst gedreht und war als Ungeheuer wieder zum Vorschein gekommen."

Die Barbarei trägt immer menschliche Züge. Und das macht die Barbarei so unmenschlich.

Klaus Wanninger "Schwabenmesse"

KBV-Verlag

332 Seiten, DM 17.90 

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