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Gunnar Staalesen

Eine Tragödie, die Menschen zustößt

"Dein bis in Tod" - ein Roman von Gunnar Staalesen.

Es ist kein blonder, männermordender Vamp, der Varg Veum, Privatdetektiv aus Bergen, in seinem Büro aufsucht. "Mitten im Raum stand ein Junge von etwa acht oder neun Jahren und blickte fragend um sich". Das Büro mit dem großen Schreibtisch, auf dem nichts war außer einem Telefon und den Aktenschränken, in denen vor allem Luft war, wirkte wie ein abgeteilter Winkel des Universums. Ein Ort, an dem man vergessene Seelen ablegt, Menschen mit Namen, an die sich niemand mehr erinnert.

Varg Veum, der Protagonist in den Kriminalromanen von Gunnar Staalesen, der einsame graue Wolf, der durch das norwegische Bergen streift, Mitte Dreißig, ohne Ehefrau, ohne Sohn, ohne gute Freunde, ohne festen Partner nimmt von diesem Jungen einen Auftrag an. Den Auftrag, ein gestohlenes Fahrrad zurückzuholen, das eine Jugendbande gestohlen hat, um die Mutter des Jungen in ihre Unterkunft zu locken. Varg Veum, "der teuerste Privatdetektiv, den du kaufen kannst, und der billigste, den du nachgeworfen bekommst", der nur eins wirklich gut hinbekommt, nämlich Menschen zu enttäuschen, nimmt den Jungen bei der Hand und macht sich mit ihm auf den längsten aller Wege, auf den Weg zur Wahrheit.

Auf diesem Weg sterben zwei Menschen, zwei Morde geschehen und Veum, der Privatdetektiv, dessen Job es ist, Dinge aufzuklären "nicht immer so ernste wie einen Mordfall. Aber dies hier ist für ihn auch kein "Fall". Es ist eher eine Tragödie, die Menschen zugestoßen ist, die ich mag." Den Jungen und seine Mutter, in die sich der einsame Wolf verliebt.

Aber das große Thema dieses Romans von Staalesen ist nicht die Aufklärung der Morde, sondern die Liebe. Die Liebe, die Untreue, die Hoffnung, das Miteinander von Frauen und Männern. Die Unmöglichkeit der Liebe.

Untreue. "So etwas konnte das Leben kosten. So etwas konnte zu einem Toten in einem Flur führen. Menschen konnten durch so etwas auf der Seite liegen und aus tiefen Bauchwunden bluten. Aber das ging einen nichts an. Damit sollten sich andere herumschlagen." - Aber hatte es vielleicht doch etwas mit ihm zu tun? "War das Ganze ein großes, kompliziertes Spiel, ein Puzzlespiel, das ich noch nicht übersehen konnte? Welche schicksalhaften Verknüpfungen hatten zu dieser traurigen Leiche in diesem traurigen Flur geführt? Die zwischen Wende und Jonas Andresen? Oder die Solveig Mangers? Jokers?" Er denkt "an all die glücklichen Brautpaare, die ich gesehen hatte. Während der Hochzeitsfeier denkt man selten an Tränen und Einsamkeit und Eifersucht. Man sieht das Brautpaar vor sich, als würde es durchs Leben tanzen und als würde die Ehe ebenso unbekümmert verlaufen wie jetzt ihr Eröffungstanz." "Aber die Liebe ist eine einsame Sache, wie ein Stein, den man einmal an einem Strand gefunden und in der Tasche einer Hose verstaut hat, die man nur selten trägt. Aber er liegt da, irgendwo im Schrank, und du weißt das. Er wird dich dein Leben lang begleiten, von der Geburt bis zum Tod, und du weißt das. Die Liebe ist blind wie ein Stein und einsam wie ein verlassener Strand, und du weißt das."

Und noch ein Thema spielt in den Romanen von Gunnar Staalesen eine große Rolle. Und das ist Bergen, die Heimatstadt von Staalesen. Bilder dieser Stadt, die Jahreszeiten, die diese Stadt im Norden prägen und die Menschen in dieser Stadt, bilden die Grundfarbe in den Romanen Staalesens.

"Wir saßen in der Küche. Die Dunkelheit hatte sich draußen in die Gasse gedrängt, hatte die Häuser zur Seite geschubst, um die Stadt mit Nacht zu füllen, hatte dem Tag einen Stein um den Bauch gebunden und ihn ins Meer geworfen, hatte uns alle in unsere viereckigen Lichtzonen eingesperrt, hinter unseren sicheren Fenstern, an unsere beruhigenden Küchentische." "Dann hob ich den Blick zum steilen Berghang des Lyderhorns, dessen grauschwarze Silhouette sich gerade noch gegen den Abendhimmel hob, als sei das Lyderhorn der Himmel, als sei der dunkle Berg in die Wolkendecke hoch gewachsen und liege jetzt wie eine bedrohliche Schneewehe über den ganzen Stadtteil - wie ein Vorzeichen des Jüngsten Tages, oder ein Vorzeichen von Tod."

Und als Varg Veum am Ende der Geschichte angekommen ist, hat er einiges an Erkenntnis gewonnen. Über sein Leben und über die Liebe.

"Ich war wie der Wind: Ich stellte meine Fragen, bekam meine Antworten und wehte weiter. Ich war wie der Heuschreckenschwarm: Ich fraß alles ab, was mir in  den Weg kam und hinterließ ein kahl gefressenes Leben, eine Nacht ohne Geheimnisse. Ich war die Sonne: Ich hinterließ verbrannte Wiesen, sterbende Wälder, erlöschendes Leben. Aber das Merkwürdige an der Sonne ist, daß sie zuerst tötet und dann wieder zum Leben erweckt. Nach der Trockenheit kommt immer ein Regentag. Nach dem Winter kommt immer ein Frühling. Aber die Trockenheit und der Winter kommen immer zuerst - die Wahrheit fordert ihr Vorrecht."

Und die letzte Erkenntnis die Veum mitnimmt "hatte mich gelehrt, daß die, die ihr Leben allein leben müssen, immer eine gute Entschuldigung haben oder einen guten Trost. Das ist das Einzige, was sie überleben läßt."

"Dein bis in den Tod" ein Roman von Gunnar Staalesen Scherz 2000 DM 16.90

Aus dem Norwegischen von Kerstin Hartmann-Butt

14.01.01 

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